Tikota – eine Schule wird zum Staat

Für eine Woche wurde aus der Freien Schule Heckenbeck ein eigener Staat: Tikota

In der Woche ab dem 3. November verwandelten über 120 Schüler*innen das Schulgelände in ein lebendiges Gemeinwesen mit eigener Regierung, eigenen Betrieben und kreativen Angeboten. Das Highlight: Am Mittwochnachmittag öffnete Tikota seine Grenzen und Türen für Eltern, Freunde und Verwandte, die einen Einblick in das bunte Treiben erhalten konnten.

Tikota entstand vollständig als eigenständiges Projekt der Schüler*innen: Sie entwickelten den Namen des Staates, die Währung Tikkis – die in 10-, 50- und 100er-Scheinen kursierten – und organisierten ein funktionierendes System von Betrieben, Regierung mit verschiedenen Ministerien, einer Polizei, einer Bank sowie einem Finanz- und Gesundheitsamt.

Besonders lebendig wurde Tikota durch seine Gastronomie: Von Crêpes über Sandwiches, Hotdogs, Schoko-Obstspieße bis hin zu Smoothies und Bubble Tea war alles vertreten. Bevor die Schüler*innen ihre Stände eröffnen durften, absolvierten sie eine Hygieneschulung, in der sie lernten, sauber zu arbeiten, Zutaten richtig zu lagern und Hände zu waschen – genau wie in einem echten Betrieb. Auch die wirtschaftlichen Regeln legten die Schüler*innen selbst fest: so wurden z.B. Produkte mit Bio-Zutaten niedriger besteuert, während für zuckerhaltige Produkte höhere Abgaben eingezogen wurden. So lernten sie den Umgang mit Geld, Rechnen und wirtschaftliche Zusammenhänge auf eine ganz praktische Art.

Doch Tikota war weit mehr als Wirtschaft: Im Kino wurden selbstgedrehte Filme gezeigt, in einem weiteren Raum konnten die Besucher*innen selbstprogrammierte Computerspiele ausprobieren. Kreativität, Handwerk und kleine Dienstleistungen waren ebenfalls vertreten: Schüler*innen boten einen Tanzkurs an, machten Frisuren, sagten die Zukunft voraus, verkauften selbstgemachte Schlüsselanhänger, Kuscheltiere oder Armbänder – und entwickelten so spielerisch Unternehmergeist, Planung und Teamarbeit.

Es herrschte große Motivation, Neugierde und auch Nervosität in Tikota. Wochenlange Vorbereitungen, Absprachen und Koordination prägten den Alltag: Wer bedient gerade das Waffeleisen, wer führt die Kasse, wer presst die Orangen aus, wer kümmert sich um den Müll? Viele planten genau, wie sie ihre Tikkis sparen oder ausgeben wollten, und mussten lernen, in einem selbstgeschaffenen System Entscheidungen zu treffen. Dabei kamen Freude, Stolz, aber auch Frust und Herausforderungen auf – ganz so wie im echten Leben.

„Ich wollte immer schon ein eigenes Café führen“, erzählt eine Schülerin, die zusammen mit Mitschüler*innen einen Crêpe-Stand betrieb. „Ich habe so viel Geld ausgegeben, dass ich heute nur noch in der Suppenküche was essen kann“ – sagt ein anderer Schüler. Und wieder andere: „Es macht total Spaß, aber man merkt auch, wie viel Arbeit dahintersteckt.“ Auch die Lernbegleiter*innen zeigten sich beeindruckt: „Die Kinder erleben hier spielerisch das echte Leben und lernen Verantwortung, Wirtschaft und Kreativität auf eine ganz neue Art“.

Die Regierung tagte täglich in öffentlichen Sitzungen und fasste u. a. Beschlüsse zum Mindestlohn, Angebote für Arbeitssuchende, Kinder- u. Jugendschutz, Vergütung für Staatsbedienstete, Steuern etc. 

Das Projekt „Schule als Staat“ wird seit vielen Jahren an Schulen in Deutschland und anderen Ländern durchgeführt. Ziel ist es, Schüler*innen Demokratie, Wirtschaft und soziale Verantwortung praktisch erfahrbar zu machen. An der Freien Schule Heckenbeck wurde dieses Projekt zum  4. Mal durchgeführt. Auch in der diesjährigen Ausgabe mit Tikota konnten die Schüler*innen eigenständig Entscheidungen treffen, Rollen übernehmen und die Konsequenzen ihres Handelns erleben – ein lebendiges Lernen, das weit über den normalen Unterricht hinausgeht.

Das Projekt wurde im Rahmen des Bundesprogramms ‚Demokratie leben!‘ von der ‚Partnerschaft für Demokratie im Landkreis Northeim‘ gefördert.

Der Besuchstag für Eltern und Verwandte bot einen lebhaften Einblick in Tikota: Auf dem Marktplatz wurde es zeitweise recht laut, Gäste bezahlten mit Tikkis, probierten Kinder-Cappuccino, ließen sich ein Tattoo machen, testeten Heuschrecken oder Ameisen aus Mexiko oder stöberten in den selbstgemachten Verkaufsständen. Überall war sichtbar, wie ernst die Schüler*innen ihre Rollen nahmen – und wie viel Spaß sie dabei hatten.

Am Ende kehrten die Räume in den normalen Zustand zurück. Doch die Erfahrungen bleiben: Für eine Woche konnten die Schüler*innen das richtige Leben nachspielen, spielerisch lernen und Verantwortung übernehmen – und das auf eine Art, die in keinem Lehrbuch zu finden ist.